Mentale Gesundheit

Wo finde ich psycho-soziale Unterstützung?
Viele von uns haben belastende Situationen erlebt oder erleben aktuell Stress, Angst, Gewalt oder Hilflosigkeit. Sei es in unserem Herkunftsland, auf der Flucht oder hier in Deutschland. Diese Erlebnisse und Gefühle zu verarbeiten, ist für niemanden einfach. Es ist völlig normal, dass wir uns erschöpft, angespannt oder nicht wie wir selbst fühlen. Es ist aber wichtig, dass wir uns gut um uns selbst kümmern. Und uns – falls nötig – Hilfe suchen, um unsere Erlebnisse und mögliche Traumata zu verarbeiten.
Hier erfahren Sie, wo Sie für sich selbst oder für andere psycho-soziale Unterstützung bekommen können.
Was muss ich wissen?
Es ist völlig normal, wenn Sie sich nach schlimmen Erlebnissen nicht gut fühlen oder wegen aktueller Probleme gestresst sind und Hilfe brauchen. Sie können sowohl online als auch am Telefon in vielen Sprachen Unterstützung bekommen.
- Bei ipso-care können Sie sich online, anonym und kostenlos von erfahrenen Berater*innen beraten lassen. Die Mitarbeiter*innen sprechen Deutsch, Englisch, Französisch, Türkisch, Russisch, Ukrainisch, Somali, Italienisch, Farsi, Dari, Arabisch, Tigrinja, Paschto und Birmanisch. Die Beratung ist kostenlos.
- Wenn Sie akut Hilfe benötigen, können Sie sich auf Deutsch an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 0800 / 111 0 111 wenden. Das „Muslimische Seelsorgetelefon“ erreichen Sie auf Arabisch, Türkisch und Urdu unter der Telefonnummer 030 44 35 09 821. Und die russischsprachige Telefonseelsorge erreichen Sie unter +49 30 44 03 08 454. Die Mitarbeiter*innen aller drei Telefon-Hotlines sind 24 Stunden am Tag erreichbar. Die Beratung ist kostenlos. Sie können sich auch an eine Klinik mit einer psychiatrischen Abteilung wenden. Eine Klinik mit psychiatrischer Notaufnahme in Ihrer Nähe finden Sie auf psychenet.de.
- Refugee-trauma.help informiert auf Arabisch, Deutsch, Englisch, Farsi, Spanisch, Tigrinya und Ukrainisch über den Umgang mit Traumata. Sie erfahren, was ein Trauma ist und wie der Körper auf ein Trauma reagieren kann. Auf der Seite bekommen Sie auch Tipps und spezielle Übungen zur Behandlung von Traumata.
- Auch sogenannte "Selbsthilfegruppen" sind für viele Menschen hilfreich. In einer Selbsthilfegruppe treffen Sie sich mit anderen Personen, die ähnliches erlebt haben. Die Gruppe wird von einem Therapeuten geleitet. Auf nakos.de können Sie auf Deutsch nach einer Selbsthilfegruppe in Ihrer Nähe suchen. Es gibt auch Gruppen in anderen Sprachen.
Wenn Sie nur mal jemanden zum Reden brauchen, können Sie mit den Mitarbeiter*innen von virtualsupporttalks.de über Ihre Sorgen sprechen. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen hören Ihnen zu. Sie sprechen Deutsch, Englisch, Ukrainisch und Russisch. Sie können sie per E-Mail kontaktieren. Die Mitarbeiter*innen rufen Sie dann innerhalb von 24 Stunden zurück. Das Angebot ist kostenlos.
Sie können sich auch an die Telefonseelsorge wenden. Das „Muslimische Seelsorgetelefon“ erreichen Sie 24 Stunden täglich unter der Telefonnummer 030 / 44 35 09 821. Die Mitarbeiter*innen sprechen Türkisch, Arabisch und Urdu. Unter der Telefonnummer 030 / 44 03 08 454 erreichen Sie 24 Stunden täglich die Mitarbeiter*innen von „Telefon Doweria“ auf Russisch. Das Gespräch ist kostenlos. Der Anruf kann etwas Geld kosten. Die Mitarbeiter*innen der deutschsprachigen Telefonseelsorge erreichen Sie 24 Stunden täglich unter 0800 / 111 0 111 oder auf telefonseelsorge.de. Die Mitarbeiter*innen sprechen Deutsch. Das Gespräch und der Anruf sind kostenlos.
Grundsätzlich kann jede*r durch Zuhören und Dasein helfen. Es ist aber besser, wenn Sie sich vorher informieren.
- Bei IOM finden Sie einen „Leitfaden für Psychologische Erste Hilfe“ auf Deutsch, Englisch, Ukrainisch und Russisch. Sie finden dort unter anderem wichtige Ratschläge für den richtigen Umgang mit traumatisierten Menschen und Tipps zur richtigen Körpersprache.
- Auf mhfa-ersthelfer.de finden Sie auf Deutsch, Englisch, Russisch und Ukrainisch 20 Tipps für Menschen, die Geflüchtete betreuen. Auch wenn Sie selbst geflüchtet sind, können Ihnen diese Informationen im Umgang mit anderen helfen.
- Auf der Website von Refugio München finden Sie auf Deutsch Informationen, wie Sie am besten helfen können und dabei auch ausreichend auf sich selbst achten.
- Bei der „Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft für psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer“ finden Sie einen umfangreichen Praxisleitfaden auf Deutsch zum richtigen Umgang mit traumatisierten Personen.
- Sie können auch an Veranstaltungen des Projekts „Razom – United at Ipso“ teilnehmen. Auf ipsocontext.org können Sie sich für verschiedene Webinare anmelden. In den Webinaren geht es unter anderem um Selbstfürsorge und Umgang mit Trauma und Traumafolgen.
Ein Trauma ist eine seelische oder psychische Verletzung. Wie unser Körper kann auch unsere Psyche durch bestimmte Ereignisse verletzt werden. Typische Ereignisse, die ein Trauma zur Folge haben können, sind zum Beispiel Gewaltverbrechen, Naturkatastrophen, Krieg, Flucht, Folter, körperliche oder seelische Gewalt, sexualisierte Gewalt, schwere Verkehrsunfälle, Gewaltandrohungen, der Tod eines geliebten Menschen und schwere Krankheiten.
Für die betroffene Person ist das Ereignis sehr belastend, sie fühlt Überforderung, Angst und Hilflosigkeit. Diese Reaktionen und Gefühle können auch länger anhalten. Das kann zu Unruhe, Schlafstörungen, Zittern, Schwitzen, Übelkeit, Schwindel, Atemnot, Konzentrationsschwierigkeiten, Schuldgefühlen, Niedergeschlagenheit, Wut, Angst, etc. führen. Viele Menschen, die Schlimmes erlebt haben, können nicht aufhören daran zu denken. Es ist auch normal, dass Teile der Erinnerung an das Erlebte fehlen oder bestimmte Details überdeutlich erinnert werden.
Oft verringern sich die unangenehmen Reaktionen schon nach wenigen Stunden oder Tagen. Das passiert vor allem, wenn die traumatische Situation nur kurz gedauert hat und die Person das traumatische Ereignis gut verarbeiten kann.
Wenn die Person die traumatische Situation nicht bewältigen kann und keine Unterstützung von außen bekommt, können durch ein Trauma aber psychische Erkrankungen wie posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, Suchterkrankungen, Angsterkrankungen, etc. entstehen. Ob Sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden, können nur Ärzt*innen zuverlässig feststellen. Es gibt aber einige Anhaltspunkte, die darauf hindeuten. Unter psychenet.de können Sie einen kurzen Selbsttest auf Deutsch machen.
Wenn Sie auch lange nach der traumatischen Situation an den Folgen leiden, ist eine Behandlung durch eine*n Psychiater*in zu empfehlen. Die meisten Therapien können ambulant erfolgen, d.h. dass Sie weiterhin zuhause wohnen können und 1-2 pro Woche einen Termin in einer Praxis haben. In den Abschnitten "Welche Therapien gibt es?" und "Wie finde ich eine passende Therapie" erfahren Sie mehr dazu.
Wenn ein Kind eine belastende Situation erlebt und nicht verarbeitet hat, zeigen sich in der Regel auch noch Wochen nach dem Ereignis einige der folgenden Symptome:
- Das Kind hat Angst von den Eltern getrennt oder allein zu sein.
- Das Kind schreit oder zittert ohne ersichtlichen Grund.
- Das Kind ist oft nicht ansprechbar.
- Das Kind entwickelt sich nicht seinem Alter entsprechend.
- Das Kind ist sehr ängstlich.
- Das Kind meidet andere Kinder.
- Das Kind wirkt oft traurig oder niedergeschlagen.
- Das Kind ist sehr schreckhaft.
- Das Kind ist sehr unruhig.
- Das Kind ist oft aggressiv.
Das Wichtigste ist, dass Sie Ihrem Kind nun Sicherheit vermitteln. Der Tagesablauf sollte überschaubar und klar strukturiert sein. Rituale helfen dabei. Sie und andere Familienmitglieder oder enge Freund*innen sollten so oft es geht, Zeit mit dem Kind verbringen. Vermeiden Sie Situationen, die das Kind zusätzlich belasten.
Bitte beachten Sie: Wenn das Kind viele der oben genannten Symptome über einen längeren Zeitraum zeigt, braucht es professionelle Hilfe. Mehr dazu finden Sie im Abschnitt "Wie finde ich eine passende Therapie?".
Es gibt eine Vielzahl an Therapien für an Traumata leidende Personen. Alle Therapien haben gemeinsam, dass sich die Betroffenen mit den traumatischen Erlebnissen auseinandersetzen müssen, um sie zu verarbeiten. Bei posttraumatischen Belastungsstörungen wird meist eines der folgenden Therapie-Verfahren angewandt:
- PE-Therapie (Prolonged Exposure Therapy): Bei dieser Therapieform denken die Betroffenen während der Therapiestunde an das traumatische Ereignis zurück. Sie durchleben das Trauma noch einmal. Die Therapiestunde wird auf Tonband aufgenommen und die Betroffenen sollen sich dieses Tonband täglich zuhause anhören. Dadurch verringern sich die emotionalen Reaktionen und psychischen Symptome.
- Kognitive Verhaltenstherapie (CPT): Bei dieser Therapie geht es in erster Linie darum, sogenannte „Denkfehler“ zu bearbeiten. Viele Betroffene geben sich selbst die Schuld an dem Erlebten oder schämen sich dafür. Bei der CPT schreiben die Betroffenen das Erlebte auf. Ziel der Therapie ist es, die eigenen Bewertungen des Erlebten zu ändern.
- EMDR-Therapie (Eye Movement Desensitization and Reprocessing): Bei der EMDR-Therapie führt die betroffene Person unter Anleitung ruckartige Augenbewegungen durch, während sie an die traumatische Situation zurückdenkt. Das hilft bei der Verarbeitung des Erlebten.
- NET-Therapie (Narrative Exposure Therapy): Hier erzählt der Betroffene seine gesamte Lebensgeschichte, wobei die erlebten Traumata besonders detailliert besprochen werden. Auf diese Weise sollen die traumatischen Ereignisse besser eingeordnet und verarbeitet werden.
- BEPP (Brief Eclectic Psychotherapy for PTSD): BEPP ist eine sehr vielfältige Therapieform, die verschiedene Elemente kombiniert. Die Betroffenen setzen sich mit Hilfe von Gesprächen, Schreibaufgaben u.a. mit dem Erlebten auseinander.
Zusätzlich werden oft auch kreative Ansätze wie Kunsttherapie, Musiktherapie, Bewegungstherapie, Ergotherapie oder Entspannungstechniken (z.B. Yoga) mit in die Therapie einbezogen.
Begleitend zu diesen und anderen Therapieformen können Ärzt*innen auch Medikamente wie z.B. Antidepressiva, etc. verschreiben.
Außerdem erhalten die Betroffenen während der Therapie auch Unterstützung im Alltag, z.B. bei der beruflichen Integration oder Problemen in der Familie.
Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Therapeut*innen und Therapieformen. Sprechen Sie am besten zunächst mit Ihrer Hausarzt-Praxis. Dort können Sie nach Unterstützung bei der Suche nach der richtigen Therapie fragen.
Auf psych-info.de können Sie nach Therapeut*innen für Erwachsene und Kinder & Jugendliche in Ihrer Nähe und in Ihrer Sprache suchen. Außerdem können Sie nach vielen anderen Dingen filtern, z.B. die Art der Therapie oder ob die Kosten von der Krankenversicherung übernommen werden können. Die Suche funktioniert nur auf Deutsch. Wenn Sie für Ihr Bundesland dort keine Ergebnisse finden, können Sie auf bptk.de nach Ihrem Bundesland suchen. Sobald Sie auf Ihr Bundesland klicken, werden Sie auf eine Seite weitergeleitet, wo Sie die "Therapeutensuche" fortsetzen können.
Sie können sich auch von den Mitarbeiter*innen von psychotherapiesuche.de unter der Telefonnummer 030 / 2 09 16 63 30 auf Deutsch helfen lassen. Sie müssen nur erzählen, wo Sie wohnen und welche Wünsche Sie an die Therapie haben. Die Mitarbeiter*innen helfen Ihnen dann, die passende Therapie in Ihrer Nähe und in Ihrer Sprache zu finden. Die Beratung ist kostenlos.
Für viele Menschen ist es angenehmer, eine Therapie in ihrer Muttersprache zu machen. Falls Sie keine Therapeut*innen in Ihrer Sprache finden, können Sie auch die Hilfe von Dolmetscher*innen in Anspruch nehmen. Wenn Sie selbst kein Geld verdienen, kann das Sozialamt bzw. das Jobcenter die Kosten für die Dolmetscher*innen übernehmen. Dazu müssen Sie einen Antrag stellen. Lassen Sie sich dazu von einer Beratungsstelle beraten. Beratung und Unterstützung finden Sie zum Beispiel beim Flüchtlingsrat oder bei Pro Asyl. Den für Sie zuständigen Flüchtlingsrat finden Sie auf fluechtlingsrat.de. Pro Asyl erreichen Sie unter der E-Mail-Adresse beratung@proasyl.de auf Englisch und Deutsch. Außerdem können Sie auf proasyl.de oder unserer Suchmaschine Local Search auch nach einer Beratungsstelle in Ihrer Nähe suchen.
Das hängt davon ab, ob Sie bereits Mitglied einer Krankenkasse sind oder noch nicht:
Ich bin reguläres Mitglied einer Krankenkasse: In der Regel bezahlt Ihre Krankenversicherung auch eine Therapie. Wenn Sie Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung sind, müssen Sie aber darauf achten, dass Ihr*e Therapeut*in eine sogenannte „Kassenzulassung“ hat. Um eine Therapie beginnen zu können, muss ein Arzt oder eine Psychotherapeutin zunächst eine sogenannte "Verdachtsdiagnose" stellen. Diese Diagnose wird dann an Ihre Krankenkasse geschickt, die Ihnen anschließend eine Zusage oder Absage für die Therapie erteilt. Sprechen Sie dazu am besten zunächst direkt mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin.
Ich bin noch kein Mitglied einer Krankenkasse: Wenn Sie kein Mitglied einer Krankenversicherung sind, weil Sie zum Beispiel noch im Asylverfahren sind, können Sie die Übernahme der Therapiekosten beim Sozialamt beantragen. Lassen Sie sich dabei von den Sozialarbeiter*innen in Ihrer Unterkunft oder von einer Beratungsstelle helfen. Beratung und Unterstützung finden Sie zum Beispiel beim Flüchtlingsrat oder bei Pro Asyl. Den für Sie zuständigen Flüchtlingsrat finden Sie auf fluechtlingsrat.de. Pro Asyl erreichen Sie unter der E-Mail-Adresse beratung@proasyl.de auf Englisch und Deutsch. Außerdem können Sie auf proasyl.de oder unserer Suchmaschine Local Search auch nach einer Beratungsstelle in Ihrer Nähe suchen.
Viele Anträge beim Sozialamt werden allerdings sofort abgelehnt, weil die Behörden Therapien für Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus nicht bezahlen wollen. Wenn Ihr Antrag nicht sofort abgelehnt wird, findet eine Begutachtung und Einschätzung durch vom Sozialamt beauftragte Ärzt*innen statt. Diese entscheiden dann, ob das Sozialamt die Kosten für Ihre Therapie bezahlt.
Falls Ihr Antrag vom Sozialamt abgelehnt wurde: Für Personen, deren Therapie nicht vom Sozialamt bezahlt wird, gibt es kostenfreie Therapieplätze über spezielle Behandlungszentren für Geflüchtete. Es ist aber sehr schwierig einen Platz in einem dieser Behandlungszentren zu bekommen, weil es zu wenige davon gibt. Die Adressen dieser Behandlungszentren finden Sie auf der Website der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer. Die Internetseite ist auf Deutsch und Englisch verfügbar. In welcher Sprache die psychologische Hilfe gegeben wird und ob es gerade freie Plätze gibt, müssen Sie direkt in den einzelnen Zentren nachfragen.
Wichtig
Es ist kein Zeichen der Schwäche sich Hilfe zu suchen. Ganz im Gegenteil: Es ist ein Zeichen großer Stärke nach Unterstützung zu fragen.